Zum 90. Todestag von Robert Weise:
Robert Weise - ein Sommerhaus in Wartenberg: „So was Liebes habt ihr noch nicht gesehen!“
von Dr. Heike Schmidt-Kronseder
Am 5. November 1923 ist der akademische Kunstmaler Robert Weise verstorben. In Wartenberg hatte er sein Refugium gefunden und war verliebt in diesen Ort! Wartenberg und Umgebung war schon immer eine herrliche, hügelige und waldreiche Gegend und für eine Reihe von namhaften Künstlern des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts eine traumhafte Idylle um der Natur zu begegnen. Professoren der Münchener Kunstakademie kamen gerne mit Mal-Schülerinnen und Schülern nach Wartenberg um der Enge der Malateliers in den Hochschulen zu entfliehen. Auch als Opposition gegen den akademischen Traditionalismus und dessen starre Regeln arbeiteten die jungen Künstlern nicht mehr vorwiegend in den Atelierräumen der Hochschulen, sondern gingen mit Paletten, Pinsel, Farben und ihren Modellen in die Natur. Neben Dachau, dem Chiemgau, Holzhausen am Ammersee oder Osternberg bei Braunau war der reizvoll gelegene Ort Wartenberg ideal für die Sommeraufenthalte der Künstler.
Einer der bekanntesten Künstler, die sich in den Ort Wartenberg verliebten, war neben Carl Hans Schrader Velgen, seiner Gattin Hedwig, Richard Engelmann und anderen, eben auch Robert Weise. Als Kunstmaler und als Mensch hat er unvergessliche Spuren hinterlassen, da er viele Jahre in den Sommermonaten in seinem Haus und Atelier in der Gemeinde lebte.
Als Robert Weise den Ort Wartenberg kurz nach 1900 für sich entdeckte, war er bereits ein gefragter und viel beschäftigter Maler. Seine Ausbildung an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Peter Janssen, Hugo Crola und Artur Kampf, seine Studienreisen quer durch Europa und die Semester an der Akademie Julian in Paris hatten ihn geprägt. Seit 1896 weilte er in München und freundete sich mit den jungen Malern Leo Putz, Reinhold Max Eichler, Adolf Münzer und den Brüdern Erler an. Sie arbeiteten an der "Jugend" mit, die seit dem 1. Januar 1896 im Verlag Georg Hirth als "Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben" erschien. Drei Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen der "Jugend" formierte sich aus einer Ausstellungsgruppe von Mitarbeitern dieser Zeitschrift eine Münchener Künstlervereinigung. Unter dem Maler Fritz Erler als erstem Vorsitzenden entstand im November 1899 die "Scholle", "... eine Vereinigung von Künstlern und Kunstfreunden mit dem Sitze in München zum Zwecke freien, zwanglosen, künstlerischen Schaffens und der Förderung künstlerischer Interessen, insbesondere durch gemeinschaftliche Ausstellung von Kunstwerken und korporative Beteiligung an Ausstellungen mit eigener Jury und Hängekommission" – so ist´s in den Vereinsakten im Staatsarchiv nachzulesen. 1903 liegt der Künstlervereinigung eine Satzung vor und so wird am 28. März die Scholle in das Vereinsregister des Königlichen Amtsgerichts München I eingetragen. Dort finden sich erstmals die Namen der zwölf aktiven Mitglieder: Gustav Bechler, Reinhold Max Eichler, Erich Erler, Fritz Erler, Max Feldbauer, Walter Georgi, Adolf Höfer, Adolf Münzer, Walter Püttner, Leo Putz, Franz Wilhelm Voigt und Robert Weise. Die Scholle-Mitglieder, so auch Robert Weise, waren national und international bei vielen Ausstellungen vertreten. An den Ausstellungen im Glaspalast, wo die Scholle-Maler als Mitglieder einer unabhängigen Künstlervereinigung einen eigenen Ausstellungsraum hatten beteiligte sich Weise in den Jahren 1900, 1901, 1904, 1909 mit jeweils zwei Gemälden, 1905 mit drei Werken, 1907 mit nur einem Bild. Nach einer letzten Ausstellung im Glaspalast 1911 löste sich die Scholle auf und die einstigen Scholle-Maler gingen eigene Wege, die alle zum Erfolg führten. Robert Weise war 1901 bereits an den Bodensee gezogen, wo er in Gottlieben bei Konstanz bis 1906 lebte und arbeitete.
Vermutlich kurz nach 1900 kam Robert Weise auf einer seiner Überlandfahrten nach Wartenberg und nutzte diesen Ort fortan mehrere Monate im Jahr zur Erbauung und Erholung von der fordernden künstlerischen Arbeit. "Weise war übrigens von Gottlieben weg jedes Jahr für längere Zeit nach Bayern gekommen. In Wartenberg hatte er auf einer Studienfahrt zusammen mit seinem Freund Franz Hoch, dem trefflichen Landschafter, einen prächtigen Studienplatz entdeckt, ein vom Strom des Fremdenverkehrs noch nicht berührtes, fruchtbares Hügelland von anmutigem Schwung der Linien und erquicklicher Ländlichkeit. Hier baute er auf einer Höhe ein bescheidenes Atelier mit freiem Blick in die Weite", ist in der Festschrift des Marktes Wartenberg nachzulesen. Von dem erwähnten bescheidenen Atelier gibt es mehrere Gemälde Weises. Bald kam ein Wohnhaus dazu; auch dieses wurde vom Maler gerne als Motiv aufgegriffen- leider existieren heute Wohnhaus und Atelier nicht mehr.
Atelier und Wohnhaus - auf einem Grundstück am heutigen Weiseberg - wurden von den bekannten Stuttgarter Architekten Prof. Paul Bonatz – er war auch der Planer des Kuppelbaus des Münchner Hauptbahnhofs und des Stuttgarter Hauptbahnhofs - und Fritz Scholer entworfen; mit beiden war Robert Weise befreundet.
Die Zeit in Wartenberg nutzte Weise auch zur Regeneration nach seinen mehrwöchigen Studienreisen ins Ausland. So weilte er im Juni 1906 nach der anstrengenden Tour durch Spanien und Frankreich in Wartenberg; ein Brief aus Wartenberg an seine Mutter in Stuttgart, datiert am 24. Juni 1906, berichtet von seinem Wartenberger Haus: "Ich kann Dir nicht sagen wie entzückend unsere Häusle´s Idylle hier ist; ich bin wieder ganz gefangen von dem Zauber unseres Berges. Es ist einfach wie ein Märchen und viel viel schöner als all die Wunder, die ich auf der Reise gesehen habe. ...Wir würden uns wahnsinnig freuen, wenn Ihr wieder nach Wartenberg kämt! Ihr wärt ganz weg von unserem Häusle; so was Liebes habt Ihr überhaupt noch nicht gesehen...".
Wohnhaus und Atelier war der gesamten Familie Weise ans Herz gewachsen. Hierher luden sie Freunde, Künstlerkollegen und Auftraggeber ein.
Die älteste Tochter Robert Weises hat ihren Kindern wiederum gerne von dem wunderbaren Ausblick erzählt, den man vom Wohnhaus aus hatte; knapp 30 Dörfer konnten die drei Töchter und der Sohn Kurt sehen und besonders spannend waren die hochsommerlichen Gewitter mit ihren Blitzen und lautem Grollen - dann sah man hin und wieder in der Ferne eine vom Blitz getroffene Scheune brennen.
Während seiner Aufenthalte in Wartenberg war natürlich die Gegend in und um Wartenberg, die ländliche Idylle, das bäuerliche Leben, die Wiesen, Wälder und die Gewässer wie die Strogen oder der Badeweiher oft das Motiv Weises. Gerade in den Sommermonaten seiner Wartenberg-Aufenthalte entstanden einige bemerkenswerte Stillleben. Er stellte mehrere kleiner Gegenstände nach ästhetischen Gesichtspunkten auf einem Gemälde zusammen; zuweilen beleben Insekten, Schmetterlinge oder andere kleine Tiere das Stillleben. Die Stillleben Robert Weises haben keinen symbolhaften Charakter, sind also ohne tiefere Bedeutung und haben rein dekorativen Charakter. Einige Stillleben Robert Weises scheinen lediglich zur Demonstration von Form- und Farbexperimenten gedient zu haben. Die Motive sind aus seinem persönlichen Umfeld gewählt: Blumensträuße von den Wiesen neben seinem Wartenberger Atelier, heimische Früchte in Obstschalen, ein Kranz aus Blüten mit einer weißen Schleife (vielleicht die Haarschleife einer seiner Töchter), Pinsel, Malutensilien und Tabak auf einem Tisch dekorativ angerichtet. Das Porträtieren seiner Kinder und die Landschaftsmalerei gehörte zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen in Wartenberg. Eine Familienanekdote weiß noch heute zu berichten, dass sich Robert Weise für seine Ausflüge in die Wartenberger Umgebung einen Esel angeschafft hatte, der einen kleinen Wagen mit allen Malutensilien gezogen hat.
Öfters kamen auch Malerkollegen und Schüler zu Besuch ins Wartenberger Atelier. Erwin Knirr, Maler aus Schaftlach bei Waakirchen gehörte zu diesen Schülern oder der Malschüler Klaus Hoffmann aus Winkl im Rheingau, der sich später einen Namen als Innenarchitekt und Architekt beim Wiederaufbau des Kurhauses in Wiesbaden und Opernhauses in Hannover gemacht hatte. Frau Elly Bernet-Studer, eine begabte Hobbymalerin, besaß ein Grundstück nahe dem Besitz der Familie Weise. Einige Wartenberger wussten auch zu berichten, dass berühmte Kollegen aus der Münchner Zeit Weises zu Gast waren - bisher ist nicht belegt wer von den ehemaligen Scholle-Freunden je in Wartenberg weilte.
Postkarten und Notizzettel, die sich im Besitz der Nachfahren und Familie Weises befinden, belegen aber, dass Robert Weise auch während seiner Wartenberger Sommeraufenthalte hin und wieder Besuch von Auftraggebern aus der Umgebung bekam.
Die Familie Weise war mit dem Ort Wartenberg wohl verbunden. In der Festschrift des Ortes ist nachzulesen, dass die Familie mit einem Gäuwägelchen zum Einkaufen in den Markt kam. Für Robert Weises Kinder hinterließ das Barfuß-Laufen in Wartenberg unauslöschliche Erinnerungen; und auch die Krokett-Spiele mit den Selmair-Buben sind unvergessen.
Literatur:
- Robert Weise - Ausstellungskatalog, Wartenberg 2002 (erhältlich bei der Marktgemeinde Wartenberg im Rathaus)
- Barbara Stark (Hg): Robert Weise. Natur und Salon. Städt. Wessenberg-Galerie, Konstanz 2021
- Sigrid Bertuleit (Hg): Die Scholle 1899-1911. Begleitbroschüre zur Ausstellung in Schweinfurt, 2007.
- Fritz von Ostini: Die Scholle. In Velhang & Klasings Monatshefte. 22.Jg, 1907/08. S. 386-398