Die Zeitkapsel im Dach des Glockenturms
der Pfarrkirche Mariä Geburt in Wartenberg
Im Rahmen der im Sommer 2023 begonnenen Renovierungsarbeiten der Pfarrkirche Mariä Geburt in Wartenberg wurde eine Zeitkapsel entdeckt. Diese wurde bei der letzten Renovierung im Jahr 1959 erstellt und in der goldenen Kugel unter dem Kreuz auf der Kirchturmspitze hinterlegt. Die enthaltenen Dokumente konnten vor Ihrer Archivierung gesichtet und erfasst werden.
Die Dokumente geben Auskunft über das Leben unserer Gemeinde in den 1950er Jahren. Neben Postkarten und Zeitungsausschnitten aus der Zeit sind auch alltägliche Informationen, wie beispielsweise der damalige Busfahrplan und ein Unterkunftsverzeichnis zu finden. Es wird über die 800-Jahr Feier Wartenbergs von 1955 berichtet. Prospekte geben Auskunft, dass unser Markt schon immer ein lohnenswertes Ziel für Besucher war, insbesondere dann, wenn man Erholung abseits der touristischen "Hochburgen" sucht. Natürlich wird auch auf die politischen und kirchlichen Amtsträger Wartenbergs zur Zeit der Kirchenrenovierung eingegangen. Jeweils ein Münz- und Briefmarkensatz dokumentieren deutsche Zeitgeschichte genauso wie Zeitungen, welche zum Zeitpunkt des Verschlusses der Zeitkapsel beigelegt wurden.
Besonders interessant ist eine für die Zeitkapsel handgeschriebene Urkunde vom 09. November 1959. Wir geben den Inhalt der Urkunde in ihrem Wortlaut komplett wieder. An einigen Stellen finden Sie Verknüpfungen (im Text "fett" hervorgehoben) zu Dokumenten aus der Zeitkapsel. Alle erfassten Beilagen werden nach dem Urkundentext in Form thematisch zusammengefasster Bildergalerien dargestellt.
Begeben Sie sich auf eine kleine Zeitreise in das Wartenberg Ende der 1950er Jahre!
Urkunde
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In Liebe zu unserer Wartenberger Heimat und unserem ehrwürdigen Gotteshaus zu Unserer lieben Frau reichen wir der Nachwelt diese Kunde weiter.
Die Instandsetzung des Kirchturms erfolgte in der Zeit vom August bis Dezember 1959, im ersten Jahr der Regierungszeit seiner Heiligkeit Papst Johannes XXIII, im siebenten Amtsjahr Sr. Eminenz des Kardinal und Erzbischof der Erzdiözese München-Freising Dr. Josef Wendel. Der Auftrag wurde erteilt von der Kirchenverwaltung Wartenberg. Bauherr war Hochw. Herr Pfarrer, Dekan und erzbischöflicher Geistlicher Rat Georg Huber im 26. Jahr seiner Investierung auf die Pfarrei Wartenberg. Ihm stand helfend in der Seelsorge zur Seite Hochw. Herr Kaplan Hans Hamberger.
Die Erneuerungsarbeiten standen unter der Aufsicht des erzbischöflichen Bauamtes der Erzdiözese München-Freising. Die Bauleitung hatte Architekt Horst Danner vom erzbischöflichen Bauamt München inne.
Kirchenpfleger war Schneidermeister, Marktrat Georg Stöckl. Die Kirchenverwaltung setzte sich weiter zusammen aus Kaufmann Franz Billmayer, Landwirt Isidor Grandinger, Sekretär Josef Pilz. Das langjährige Mitglied der Kirchenverwaltung, Konditormeister Anton Härtl, verstarb in der Zeit der Bauarbeiten. Die Zimmerer- und Maurerarbeiten waren dem Bauingenieur Max Gschaid, Wartenberg, übertragen.
Die Dachdecker- und Spenglerarbeiten, einschließlich der Erneuerung des Turmkreuzes, wurden von Spenglermeister Josef Klein, München – Bismarckstraße 17, unter Mitarbeit des von Silvester Heinz, Franz Geier, August Faus, Erwin Schneid ausgeführt. Zimmerpolier war Hans Burger, sein Mitarbeiter Alois Braun.
Als weltliche Obrigkeit unserer Tage seinen verzeichnet der Präsident der Bundesrepublik Dr. Heinrich Lübke, der Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, der Bayerische Ministerpräsident Dr. Hanns Seidel, der Regierungspräsident von Oberbayern Dr. Mang, der Landrat des Kreises Erding Dr. Herbert Weinberger.
Die Geschicke des Marktes Wartenberg lenkt seit 10 Jahren der 1. Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Mathias Stuhlberger. Der Marktrat setzt sich gegenwärtig zusammen aus dem 2. Bürgermeister Norbert Kellnberger und den Markträten Gebel Josef, Gerstner Moritz, Krien Hermann, Nikolau Haus, Reiter Ferdinand, Rettenbeck Josef, Rieger Josef, Stöckl Georg, Troll Dr. Richard. Die Gemeindekanzlei wird geführt von Verwaltungsinspektor Staudacher, der auch den Kirchenchor leitet.
Die sechsklassige Volksschule besuchen heute 214 Kinder. Die Schule befindet sich im alten kurfürstlichen Jägerhaus auf dem Schulberg. Schulleiter ist Hauptlehrer Emil Amer. Weitere Lehrkräfte sind: Oberlehrerin Katharina Huber, sowie Gertrud Berger, Sophie Eder, Margarethe Fraunhofer, Peter Völkl.
Der Bau eines neuen Schulhauses ist geplant.
Das St. Josefsheim beherbergt zu Zeit rund 100 Knaben, größtenteils Waisen, die in 3 Klassen unterrichtet werden. Oberin ist die Ehrw. Schwester M. Edwolda, ferner Lehrer Alto Schwaiger. Von Schwestern der St. Josefs-Anstalt wird auch der Kindergarten betreut.
Der Markt Wartenberg zählt heute 1700 Einwohner und zeigt sich dem Fortschritt sehr aufgeschlossen. In den letzten 10 Jahren sind an die 70 Wohn- und Siedlungshäuser entstanden. Ganz neu erstanden die sog. Südsiedlung auf dem Spatzenberg, auf Gründen der Pfarrpfründe, sowie die Nordsiedlung.
Das Krankenhaus wurde im letzten Jahr vollständig umgebaut und die Inneneinrichtung auf den neuesten Stand gebracht. An Ärzten ordinieren Dr. Richard Troll und Dr. Aurel Schmör. Oberin des Krankenhauses ist die Ehrw. Schwester vom Mutterhaus Mallersdorf M. Akutia.
In diesen Tagen wird die Kanalisation des gesamten Marktes durchgeführt. In den nächsten Wochen wird die Erschließung eines neuen Brunnens zur besseren Wasserversorgung des Marktes in Angriff genommen. In allerjüngster Zeit erhielten die Straßen des Marktes ihre Benennung.
Die Welt steht am Beginn des Atomzeitalters und der Raumschiffahrt. Vor einigen Monaten glückte die Landung einer Rakete auf dem Mond. Deutschland ist seit 1945 in Ost und West gespalten und sehnt sich nach der Wiedervereinigung mit den Schwestern und Brüdern der Sog. Ostzone.
Der Welt sehnlichster Wunsch aber ist ein dauerhafter Friede. Möge unser Herrgott Turm und Kirche, unseren Heimatort und unser Land in seinen gnädigen Schutz nehmen.
Wartenberg, den 9. November 1959